Nach 75 Jahren: Denkmal erinnert an Kriegsverbrechen in Passau

Im Passauer Ortsteil Ingling wurde im Herbst ein Denkmal enthüllt, das an die grausame Ermordung von über 300 russischen Kriegsgefangenen Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern soll, eines der schwersten Kriegsverbrechen, das bis Mai 1945 in Bayern geschah. Entstanden ist das Denkmal aus einer privaten Initiative.

Zwei Passauer, der mittlerweile verstorbene Geschichtsforscher Heinz Kellermann und der pensionierte Gymnasiallehrer Alois Feuerer, hatten durch akribische Archivsuche und Öffentlichkeitsarbeit die Ereignisse vom April 1945 ans Licht gebracht. Demnach waren an zwei Tagen etwa 340 russische Gefangene während eines Verlegungsmarsches in Passau-Ingling am Ufer des Inn erschossen worden. Gut 100 Leichen wurden am Ort des Geschehens im Neuburger Wald verscharrt, über 200 getötete Männer einfach in den Inn geworfen. Entscheidende Hinweise und Schilderungen der Gräueltaten kamen von einem russischen Gefangenen namens Nikolai Bestushov. Er konnte im letzten Moment dem Massaker entfliehen.

„Meine Güte – ich hab‘s gesagt: Das ist alles so verquickt und hängt alles so zusammen, dass das, was ich im Alter von acht Jahren gesehen habe, 80 Jahre später nochmal so eine Rolle spielt in meinem Leben“ Zeitzeuge und Initiator Alois Feuerer (83), im BR-Interview am Rande des Festakts

Schießbefehl war völlig willkürlich

Verantwortlich für das Kriegsverbrechen waren Kreisleiter Karl Brück und SS-Mann Paul Kröger. Warum sie damals – kurz bevor die Amerikaner in Passau einrückten – die Erschießung befehligten, ist unklar. Alois Feuerer: „Wir haben oft über die Motivation gerätselt. Damals war alles Chaos. Brück und Kröger waren fanatische SS-Anhänger. Und die russischen Gefangenen waren für sie wohl Untermenschen.“ Der Erschießungsbefehl sei völlig willkürlich gewesen und weder durch Flucht oder Plünderung gerechtfertigt gewesen sein. Brück und Kröger wurden für ihre Tat nie zur Rechenschaft gezogen. Sie tauchten nach dem Krieg unter.

„Dieses üble Geschehen hat sich in die Annalen der Stadt eingegraben. Es war und ist eine tiefe Wunde in unserer Geschichte, auch wenn wir selbstkritisch zugeben müssen, dass diese Erkenntnis nicht so früh Allgemeingut war, wie wir es uns heute wünschen würden. Es hat schon eine Weile gedauert, bis man sich bei uns daran erinnert hat. Und das geschah in Etappen.“ Kulturreferent Bernhard Forster

„Ein grausamer Ort, die Hölle für 340 Menschen“

Heinz Kellermann brachte erstmals im Februar 2018 bei der Stadt Passau die Idee eines Denkmals ins Spiel. 2019 gründete sich eine Privatinitiative, die Spenden für die Realisierung sammelte. Gestaltet wurde das rostfarbene Denkmal aus Stahl vom bekannten Künstler Hubert Huber. In kyrillischer und deutscher Schrift ist zu lesen: „Hier wurden Ende April 1945 soawjetische Kriegsgefangene ermordet. 107 Tote wurden aufgefunden. Wir kennen ihre Namen nicht. Aber sie sollen nicht vergessen sein.“ Im BR-Interview wies Feuerer auf die Bedeutung des Denkmals hin: „Das war hier ein grausamer Ort, die Hölle für etwa 340 Menschen, die auch Väter, Söhne und Brüder waren. Da merkt man erst, was Schlimmes in der Welt passiert ist. Das ist jetzt ein Erinnerungsort.“

Schülerinnen und Schüler des Adalbert-Stifter-Gymnasiums halfen bei Realisierung des Mahnmals

In die Realisierung des Mahnmals waren auch unsere Schüler des letztjährigen P-Seminars zum Thema „Street Art“ mit eingebunden. Für Florian Oberhansl als betreuenden Kunstlehrer war „neben der Erinnerungskultur die Zusammenarbeit mit einem überregional bekannten Künstler wichtig, der die Schüler vom Entstehungsprozess bis zur Aufstellung in sein Vorhaben mit eingebunden hat. Dadurch realisierten sie, dass nach der Fertigstellung eines Werkes auch ein Rattenschwanz an Bürokratie, Genehmigungen und Händeschütteln (in Coronazeiten Ellbogenchecks) zu überwinden ist.“

Die ASGler erarbeiteten zu den Geschehnissen in Ingling Video-Beiträge, die über einen am Denkmal angebrachten QR-Code oder die Homepage der Stadt unter Kultur > Erinnerungskultur > Russenmorde in Ingling im Internet angesehen werden können.

„Ich hoffe sehr, dass die Stele ein mahnender Ort der Erinnerung an die Opfer von damals sein wird, aber auch ein Ort der Reflexion über unsere Gegenwart und über die gesellschaftliche Verantwortung, der wir uns alle täglich stellen müssen“, so Kulturreferent Bernhard Forster.

 

BR/Martin Gruber